Am 27. Oktober 2023 besuchte ich das Symposium für Potenzierforschung auf Schloss Türnich. Das Symposium ist von der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Homöopathie kurz WissHom organisiert und von Prof. Dr. Stefan Baumgartner ins Leben gerufen. Es ist eine langjährige Veranstaltungsreihe und konnte nun das erste Mal seit Jahren der Pandemie-Pause wieder stattfinden und wurde sehr begeistert von den Teilnehmern angenommen. Dabei richtete sich das Programm an alle interessierten Wissenschaftler*innen, Ärzt*innen, Therapeut*innen, Pharmazeut*innen sowie Studierende und Promovierende aus Forschung, Industrie und Praxis.
Zunächst gab Prof. Baumgartner einen Überblick über die Aufgaben und Perspektiven der Grundlagenforschung in der Homöopathie. Aufgaben sind z.B. herauszufinden, ob potenzierte Arzneien spezifische Wirkungen haben und ob diese reproduzierbar sind. Diese beiden Fragen können mittlerweile aufgrund von publizierten Daten eindeutig bejaht werden. Wo es nur teilweise Antworten gibt, sind die Fragen nach reproduzierbaren Systemen und die Gründe dafür, warum etwas nicht reproduziert werden kann. Immerhin sind mittlerweile ca. 20 reproduzierbare Systeme beschrieben. Völlig unklar dagegen ist weiterhin der genaue Wirkmechanismus der Arzneien. Er ging nochmal kurz auf seine bekannten Wasserlinsenexperimente und die Untersuchungen an Gartenkresse ein, für die mittlerweile 45 unabhängige, randomisiert verblindete Experimente in 4 Labors mit 4 Experimentierenden vorliegen. Dann ging er noch auf die Unterschiede zwischen Interventions- und Regulationsmedizin ein. Bei der Interventionsmedizin kommt die Wirkursache von außen (z.B. Substitution von Insulin, Blockaden wie Antiinflammation oder Betablocker, Chirurgie). Die Wirkung funktioniert in der Regel nach einem Schlüssel-Schloss Prinzip und lässt sich in einer sigmoiden Dosis/Wirkungskurve darstellen.
Bei der Regulationsmedizin liegt dagegen die Wirkursache im Organismus selbst, von außen kommt nur eine Information. Das kann ein Reiz wie kaltes Wasser sein (Kneipp) oder eben eine homöopathische Arznei. Das Ergebnis lässt sich nicht als Kurve, sondern als Stufe darstellen, d.h. etwas funktioniert oder funktioniert nicht. Die Homöopathie gehört also klar zur Regulationsmedizin, wobei der zugrunde liegende Mechanismus bisher nicht aufgeklärt ist. Die Anzahl der Forschungsprojekte in der Grundlagenforschung nimmt erfreulicherweise weiter zu. Einige der Projekte – zum großen Teil noch laufende – wurden an diesem Tag vorgestellt, wobei diese sehr vielfältig waren.
So berichtete Dr. Maria Olga Kokornaczyk über ihre Experimente mit der Kaelin-Methode. Diese Methode wurde von Dr. Kaelin, einem anthroposophischen Arzt, zur Diagnose von Krebs entwickelt. Für die hier vorgestellten Experimente wurde Blut von 13 Patienten vor und nach der Einnahme von homöopathischen Arzneien ex vivo mit Pulsatilla, Natrium muriaticum, der individuellen Arznei oder Placebo inkubiert und dann als Art Chromatographie in einem Filterpapier aufgesogen. Diese Experimente resultierten in 936 Bilder die mittels eines Programms ausgewertet wurden und sehr spezifische Unterschiede zwischen den Arzneien ergaben. Interessanterweise zeigten sich für die individuellen Mittel immer viel größere Effekte als für Pulsatilla und Natrium muriaticum.
Im nächsten Vortrag stellte ein Mathematiker, Dr. Otto Weingärtner, seinen sogenannten „Werkstattbericht“ vor, also ein noch laufender Versuch eine mathematisch ergründbare Modellbeschreibung für die Wirkung von homöopathischen Arzneimittel zu finden.
Christoph Dombrowsky und Dr. Sandra Würtenberger arbeiten an einem sogenannten Scoping-Review. Also eine Zusammenstellung der gesamten Literatur, um eine Orientierung über den Stand der Forschungsliteratur zum Thema Homöopathie zu gewinnen. Dazu wurden 3600 Arbeiten gesichtet (89% naturwissenschaftlich und 11% geisteswissenschaftlich). Konzentriert wurde sich dabei auf die Themen Potenzierung und Simile Prinzip. Insgesamt wurden 12 Themenkategorien gebildet, wobei einige Publikationen mehreren Schwerpunkten zugeordnet werden konnten. Nach der jahrelangen Literaturrecherche ist nun die quantitative und qualitative Analyse geplant.
Dr. Johannes Fahrentrapp untersucht, was bei der Kombination von tiefen Potenzen (D1, D2 und D3) entsteht. Dazu mischt er jeweils eine von 7 pflanzlichen Mitteln mit einem von 5 Salzen und schaut sich dann die getrockneten Tropfen nach Verdunstung des Lösungsmittels an und vergleicht sie mit dem Verdunstungsmuster der Einzelsubstanzen. Dabei wurden insgesamt 4360 Bilder ausgewertet. Es wurden zunächst mit dem Auge 18 Kategorien gebildet (z.B. Wolke, Sternenhimmel, Nadelbaum, Rauchkringel) und dann alles Computer gestützt analysiert. Dabei kamen bei 15 Replikaten in der Regel sehr spezifische und reproduzierbare Muster heraus. Auf jeden Fall ist auch hier mal wieder die Mischung mehr als die Summe der Einzelsubstanzen.
Dr. Bernd Seilheimer von der Firma HEEL berichtete über die MOZART Studie in der TRAUMEEL und ZEEL bei Osteoarthritis des Kniegelenks im Vergleich zu NSRA und Cortison untersucht wurde. TRAUMEEL und ZEEL wurden gemeinsam an Tag 8 und 15 injiziert und die Patienten 90 Tage beobachtet. 232 Patienten wurden eingeschlossen und je zur Hälfte mit Verum oder Placebo behandelt. Schmerzen wurden anhand einer gebräuchlichen Schmerzskala dokumentiert. Die Injektionen mit TRAUMEEL und ZEEL reduzierten die Schmerzen um 20%. Das macht eine Effektgröße von 0,2 bis 0,34 aus und entspricht der Effektgröße von Schmerzmitteln und Cortison. Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Bisher wurde das Manuskript bei 7 unterschiedlichen Journalen eingereicht und die Publikation immer mit der Begründung abgelehnt, dass der Wirkmechanismus ja nicht bekannt sei. Daraufhin wurden nun Genexpressionsdaten erhoben und molekulare Netzwerke untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass Gene involviert sind, die den Knorpelaufbau fördern und den Katabolismus hemmen.
Paul Doesburg aus den Niederlanden präsentierte uns dann noch die Entwicklung eines einfachen Bioassays mit Kressekeimlingen. Zunächst wurde gezeigt, dass Kresse besser zu standardisieren ist als Weizen, weshalb man sich für dieses System entschied. Untersuchungsparameter waren Länge der gekeimten Kresse, Wurzellänge und Sprossenlänge. Die Keimlinge wurden für 4 Tage auf Filterpapier in feuchter Tüte kultiviert und dann die Längen gemessen. In diesem System wurde NaCl, Ca(NO3)2, Phosphor, Carvo-v, Nux-v, Nit-ac, Silicea und Aur-m in unterschiedlichen Potenzen getestet und der Einfluss auf die Längenbildung der Pflanzenteile vorgestellt. So nahm bei zunehmender Ca(NO3)2 Konzentration die Sprossenlänge zu und Wurzellänge ab.
Ich möchte nicht vergessen zu erwähnen, dass wir in der Mittagspause mit sehr hochwertigem und köstlichem Essen im Porzellanzimmer bewirtet wurden. Nach der Mittagpause gab Godehard Graf von und zu Hoensbroech, Schlossherr und Gründer der Firma Ceres einen einführenden Vortrag zum Systemischen in der Medizin und führte uns durch den Heilkräutergarten.
Insgesamt also ein sehr gelungener Tag an einem wunderschönen Ort mit vielen Informationen.
Prof. Dr. rer. nat. Susanne Schnittger